»Die Komplexität von Brandversuchen ist enorm«

Für die Beurteilung des Brandverhaltens von Batterien für elektrische Fahrzeuge sind Simulationen nicht aussagekräftig genug. Das Brandverhalten muss in realen Brandversuchen getestet werden. Worauf es dabei ankommt, erläutert Max Plotnikov vom InnoLogBat, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IML.
Stand: Juni 2024
Max Plotnikov

Max Plotnikov ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IML und forscht im Innovationslabor für Batterie-Logistik in der E-Mobilität.

Ob Batteriehersteller oder -entsorger: Alle Unternehmen entlang der Supply Chain von Lithium-Ionen- und anderen Fahrzeugbatterien haben ein immenses Interesse daran, das Brandverhalten der Batterien zu testen. Auch Behörden und Versicherer prüfen und forschen. Warum sind solche Tests so wichtig?
Max Plotnikov: Der Brandschutz wird insbesondere bei der Lagerung von Batterien immer wichtiger. Heute befinden sich noch überwiegend neue Batterien, die auf den Einbau in die Fahrzeuge warten, in den Lagern. In wenigen Jahren allerdings werden die Rückläufer vom Markt einen hohen Anteil ausmachen, also gebrauchte bzw. ausrangierte Batterien nach dem Ende der automobilen Nutzungsphase. Das Risiko eines thermischen Durchgehens ist in dieser Phase höher. Darauf muss sich die Lagerlogistik vorbereiten.

Wie belastbar sind Brandversuche mit Batterien generell?
Batterien für Elektro-Fahrzeuge sind für Testzwecke schwer erhältlich und teuer. Es gibt in Deutschland nur wenige Testumgebungen, in denen die Versuche überhaupt möglich sind. Die meisten Anbieter ermöglichen nur Tests auf Zell- oder Modulebene, nicht auf Systemebene. Deshalb zählt wirklich jeder Test. Vor diesem Hintergrund haben wir auch im InnoLogBat Brandversuche eingeplant. Die Komplexität bei Brandversuchen ist allerdings hoch, nicht zuletzt, weil inzwischen zahlreiche unterschiedliche Batterien mit verschiedenen Zellchemien sowie -geometrie am Markt sind und die Aussagekraft von Brandversuchen mit einem speziellen Batteriemodell bzw. -typ begrenzt sein könnte.

Welchen Fokus haben die geplanten Brandversuche im InnoLogBat?
Verbände und damit auch Unternehmen legen bei Brandschutzmaßnahmen im Lager heute noch einen Schwerpunkt auf reaktive Maßnahmen, insbesondere den Einsatz von Sprinkleranlagen. Der Ansatz, der derzeit aber aufgrund neuer Technologien und Forschungsarbeiten immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist aber ein präventiver: Brandfälle sollen frühzeitig detektiert werden – bevor es zu einem Schaden kommt. Im InnoLogBat erforschen wir genau solche Technologien für präventive Schutzmaßnahmen, die ihre Wirksamkeit natürlich in realen Versuchen unter Beweis stellen sollen und müssen. Von besonderer Bedeutung für den Einsatz präventiver Maßnahmen ist die Frage, wieviel Zeit von dem Punkt, an dem eine Batterie kritisch wird, bis zur Einleitung von Gegenmaßnahmen bleibt. Ziel ist es, dass ökologische sowie ökonomische Schäden im Lager bzw. in der Umgebung auf ein Minimum reduziert werden können.

Welche präventiven Maßnahmen kommen denn in Betracht?
Zur frühzeitigen Detektion kritischer Batterien sind grundsätzlich optische, chemische und elektrische Systeme bzw. Verfahren geeignet. Zu den optischen Systemen gehören etwa Wärmebildkameras oder Glasfasersensorik, auf chemischer Ebene kommen Sensoren zur Gasdetektion in Betracht, die den Funktionstest in einem Transferprojekt des InnoLogBat mit einem mittelständischen Unternehmen unter Laborbedingungen bereits bestanden haben. Auch ein IoT-Device, das am Fraunhofer IML entwickelt wird und eine Detektion hinsichtlich des Zustandes und des Lagerplatzes der Batterien ermöglicht, wollen wir gerne einem Realitätscheck unterziehen.

Worauf kommt es bei der Durchführung von Brandversuchen an?
Das Wichtigste ist, realitätsnahe Testszenarien zu konstruieren und zu evaluieren. Im Rahmen von Worst-Case-Szenarien sollte man sich sicherlich immer auf den ungünstigsten Fall vorbereiten. Grundsätzlich ist es so, dass sich intakte Batterien bei sachgerechtem Umgang und Einhaltung der Vorschriften nicht von selbst entzünden. Das thermische Durchgehen einer Batterie kann allerdings durch technische Defekte sowie eine fehlerhafte Handhabung oder einen unsachgemäßen Umgang eintreten. Im Rahmen von Brandversuchen muss ein Brandereignis immer künstlich hervorgerufen werden, beispielsweise indem ein externer Kurzschluss herbeigeführt wird. Hierbei kommt insbesondere der sogenannte Nageltest infrage, der standardisiert und reproduzierbar ist und beispielsweise gerade zum Test der Wirksamkeit von präventiven Brandschutzmaßnahmen die besten Ergebnisse verspricht.

Welche Kompetenzen sind bei der Konzeption von Brandversuchen gefragt?
Forschung und Praxis sollten bei der Konzeption immer einhergehen. Viele Partner des InnoLogBat haben in der Vergangenheit bereits eigene Brandversuche zu spezifischen Fragestellungen wie etwa zur Validierung von Sprinkleranlagen oder zur Genehmigung von Havariebehältern durchgeführt. Ihre Erfahrungen sind natürlich für die Arbeiten des InnoLogBat relevant wie ihre Anforderungen an den präventiven Brandschutz. Wir sind daher sehr zuversichtlich, dass wir im Ergebnis Einschätzungen und Empfehlungen über mögliche Sicherheitsmaßnahmen in Lagern für E-Batterien veröffentlichen können – sei es für Brandschutzkonzepte in Unternehmen oder für neue Richtlinien.

Bei Brandversuchen spielt immer auch die Performance der Verpackung eine wichtige Rolle. Unterschiedliche Verpackungstypen haben unterschiedliche Auswirkungen. In die Brandversuche ist daher auch das Verpackungslabor des Fraunhofer IML einbezogen. Dort finden im Rahmen des InnoLogBat Prüfungen des Verpackungsmaterials von Batterien statt, darunter auch Falltests. (Foto: Fraunhofer IML)