Ein Batteriepass enthält Informationen über Zusammensetzung und Basiskennzahlen der jeweiligen Batterie, über ihren CO2-Fußabdruck, ihren Zustand, Informationen zur Zerlegung sowie technische Vorgaben. (Foto: Fraunhofer IML/KI)
In den kommenden Jahren wird EU-weit der »digitale Produktpass« eingeführt: ein Identitätsnachweis für Produkte aller Art – von Textilien über Elektrogeräte bis hin zu Autos. In vielen Branchen befinden sich solche Produktpässe bereits in Vorbereitung, wohl am weitesten gediehen sind die Bestrebungen beim Produktpass für Batterien, der zum Vorzeigebeispiel für andere digitale Produktpässe werden soll. Tatsächlich benötigen in gut zwei Jahren – ab Februar 2027 – alle Traktionsbatterien, Batterien von Zweirädern und Industriebatterien mit einer Kapazität von mehr als zwei Kilowattstunden, die in der EU neu auf den Markt kommen, einen digitalen Batteriepass. Die EU-Batterieverordnung 2023/1542 reguliert unter anderem Informationen zur Batterie und macht Vorgaben hinsichtlich des technischen Ökosystems. Im Rahmen des Forschungsprojekts »Innovationslabor für Batterie-Logistik in der E-Mobilität« nahmen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor, den Batteriepass auf seine Eignung für die Logistik zu prüfen.
Die Abkürzung des Transferprojekts »LIBELLE« steht für »Leichter Informationsfluss von Batteriecharakteristika Ermöglicht Leistungsstarke Logistische Effizienz«.
Ein Schwerpunkt des »LIBELLE«-Projekts lag in der Analyse, welche Daten von Batterien für E-Fahrzeuge in ihrem gesamten Lebenszyklus für die Logistik von Relevanz sind mit dem anschließenden Abgleich welche dieser Daten bereits durch die EU-Batterieverordnung im Batteriepass abgebildet werden sollen. »Dabei haben wir festgestellt, dass viele Daten, welche durch die EU-Verordnung schon für den Batteriepass angedacht sind, auch bereits für die Logistik sinnvoll und auch notwendig sind.«, so Björn Krämer. Dazu gehören etwa die Nennung der enthaltenen Gefahrstoffe, die Batteriechemie, das Gewicht der Batterie, der zugelassene Temperaturbereich sowie Informationen zum Batteriezustand in Form des aktuellen Energiestandes (State of Charge) und des generellen Gesamtzustandes der Batterie (State of Health), der auch Alterungseffekte und den Kapazitätsabbau berücksichtigt. Ebenfalls bedeutend sind die Attribute Batterie ID, Hersteller ID, Batterie-Kategorie, Ort und Datum der Herstellung und Hinweise zu den Auswirkungen der enthaltenen Materialien auf Mensch und Umwelt. Darüber hinaus gibt es weitere relevante Attribute, die speziell für die Transportentscheidung von Bedeutung sind, jedoch nicht in der Batterieverordnung aufgeführt werden. Dazu zählen unter anderem die Maße der Batterie und der Verpackung, die Anzahl der Zellen und Anforderungen an die Art und Weise der Verpackung für den Versand. Diese zusätzlichen Attribute sind abhängig vom betrachteten Use Case und der Verordnung im Lebenszyklus der Batterie teils sehr spezifisch und wurden als Ergebnis des Transferprojekts gemeinsam mit Industrieunternehmen identifiziert.
Transportentscheidungen müssen standardisiert sein
Gemäß der Gefahrgut-Transportvorschriften sind die Batterien vor jedem geplanten Transport von einem Sachverständigen nach ihrem Grad der Kritikalität zu bewerten und entsprechende Auflagen für den Transport und die Verpackung abzuleiten. Als Kontrolltool von zukünftigen Batteriepassapplikationen und sofern begleitende Dokumentationen keine zweifelsfreie Bestimmung von logistikrelevanten Parametern ermöglichen, sind ergänzende Analysen notwendig. Hierfür sollten entsprechende Analysetechnologien zur Schnellanalyse von Batteriepacks, Modulen und Zellen evaluiert werden, die z. B. die Bauart und Zellchemie erfassen können. Ebenso wichtig sind in diesem Zusammenhang eine einheitliche Methodik und unternehmensübergreifend standardisierte Bewertungskriterien zur Transportentscheidung, um Doppelchecks zu vermeiden und eine valide Bewertung zu gewährleisten.
Praxispartner im Projekt »LIBELLE« war die WP Spedition, Transport-, Logistik-, Produktions- und Recyclingunternehmen mit Sitz in Zwickau. Gemeinsam wurde erarbeitet, an welchen Stellen des Lebenszyklus einer Batterie die Spedition konkret beteiligt ist, und es wurden Anforderungen für den Informationsfluss vom Transport über die Lagerung bis zum Recycling identifiziert – ein wichtiger Ausgangspunkt für die weitere Arbeit im Projekt.
Ein weiterer Schwerpunkt des Projekts lag in der Prüfung der Praxistauglichkeit des im Projekt »Battery Pass« bisher entwickelten Softwarekonzepts aus Sicht der Logistik – insbesondere mit Blick auf die möglicherweise noch zu ergänzenden Attribute. Das Projekt wird von einem breit gefächerten Konsortium aus Wirtschaft und Wissenschaft getragen und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. »Auch in diesem Fall ist die Erkenntnis, dass das ausgearbeitete Konzept von Battery Pass die entsprechenden Möglichkeiten für eine Umsetzung bietet und eine gute Basis legt. Insbesondere die Technical Guideline bietet hierbei detaillierte Ausarbeitungen und Rahmenbedingungen zur Orientierung.«, zieht Patrick Becker ein Fazit der Arbeiten.
Wichtiger Bestandteil für die Logistik ist außerdem die Verknüpfung des Batteriepasses mit neuen Services wie den am Fraunhofer IML entwickelten eFreight-Folder, einem Dienst zur Erzeugung, Weitergabe und Speicherung mehrerer Dokumente in digitalen Mappen. Ebenso wie eine Vielzahl von Transportdokumente ist der Batteriepass ein wichtiges Dokument, welches bei Transporten mitgeführt werden muss, sodass eine Integration in den eFreight-Folder, als zentraler Sammelpunkt logistisch relevante Daten, sinnvoll ist. Eine weitere interessante Fragestellung ist die Anbindung des Batteriepasses an Supply-Chain-Management-Systeme zur Transport- oder Lagerverwaltung.
Batteriepass an Logistiksysteme anbinden
Um Medienbrüche zu verhindern, einen sicheren Transport sowie eine effiziente und sichere Lagerlogistik zu gewährleisten, ist bspw. eine Übertragung in vorhandene Warehouse Management Systeme (kurz WMS) erforderlich. Erst Mithilfe der digitalen Angaben im Batteriepass kann eine sachgemäße Lagerung gewährleistet und Gefahren vermieden werden. Des Weiteren kann so bspw. der optimale Lagerplatz abhängig vom Typ und den Informationen automatisch vom WMS ermittelt und unnötige Aufwände vermieden werden.
Open-Source-Software als Wegbereiter
Die Softwareentwicklung als Open-Source-Lösung, bietet im Allgemeinem einige Vorteile, die auch bei diesem Ansatz zum Tragen kommen könnten. Typische Argumente sind Themen wie Kosteneffizienz, Flexibilität, Transparenz und noch einige mehr. In diesem Falle existieren vor allem gesetzliche Vorgaben aus der EU-Verordnung, die von allen auf dieselbe Art und Weise eingehalten werden müssen. Dabei findet eine unternehmensübergreifende Kommunikation bezüglich der Daten statt, ohne wettbewerbsdifferenzierend zu wirken. Ein weiteres Argument ist die flexible Erweiterbarkeit bei neuen Anforderungen, selbstverständlich unter der Berücksichtigung der Datenintegrität und Unveränderbarkeit bestimmter Angaben, um Missbrauch dieser sensiblen Informationen zu verhindern.
Ausblick: nächste Schritte
Für zukünftige Arbeiten nach Abschluss des Projekts bieten sich mehrere Ansätze an. Zum einen sollte das Verfahren zur Erhebung der Kennzahlen standardisiert werden, um eine Rückverfolgbarkeit der Daten zu gewährleisten und das Vertrauen der in der Supply Chain beteiligten Akteure in die im Batteriepass hinterlegten Informationen zu stärken. Ein weiterer Schritt wäre der Abgleich der Erkenntnisse mit den Ergebnissen des Battery Pass Projekts hinsichtlich der technischen Anforderungen und der Ausgestaltung. Das geplante Projektende liegt im März 2025. Zudem können durch die Mitarbeit in Gremien wie dem VDE AK 371.0.16 Digitaler Batteriepass Standards, Normen und Änderungsbedarfe hinsichtlich der EU-Verordnung entwickelt werden, um maßgeblich zur Gestaltung zukünftiger Industriestandards beizutragen.