In Deutschland werden pro Jahr zwischen 2,5 und 3,5 Millionen Autos zugelassen. Der Anteil der Neuzulassungen von Fahrzeugen mit einem alternativen Antrieb – ob vollelektrisch, Plug-in oder Hybrid – lag im Jahr 2019 noch bei etwa zehn Prozent, 2022 waren es schon rund 50 Prozent. Die Bundesregierung hat für das Jahr 2030 das Ziel von mindestens 15 Millionen E-Autos in Deutschland ausgerufen.
Die jährliche Anzahl ausrangierter Batterien bewegt sich heute allerdings noch auf homöopathischer Ebene. Doch sie wird schon bald ansteigen. Darauf muss sich die Industrie vorbereiten. »Wenn man sich ansieht, dass die Distribution von Waren heute minutiös geplant wird, dann besteht bei der Entsorgung von Produkten – gerade im Sinne einer Kreislaufwirtschaft – grundsätzlich noch Nachholbedarf«, sagt Jan-Philipp Jarmer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML und Mitglied im Team des InnoLogBat. »Bei der Rücknahme von Batterien aus E-Fahrzeugen steht die Industrie teilweise noch am Anfang. Klar ist aber, dass die Rücknahme von Batterien im Sinne der Nachhaltigkeit und der Circular Economy eine Organisationsstruktur erfordert, mit der die Kreisläufe entlang der gesamten Wertschöpfungskette geschlossen werden können.«
Laut Batteriegesetz (BattG) sind die Hersteller von Elektrofahrzeugen dazu verpflichtet, gebrauchte Batterien aus ihren Fahrzeugen zurückzunehmen und für alle Kosten des Sammel-, Aufbereitungs- und Recyclingsystems aufzukommen. Das BattG setzte die europäischen Vorgaben in deutsches Recht um.
Umweltwirkung vergleichen
Vor diesem Hintergrund arbeiten die Forschenden an Empfehlungen für die wirtschaftliche und umweltschonende Planung von Rücknahmenetzwerken. Ein wichtiger Ausgangspunkt ist dabei der Vergleich der Umweltwirkungen von Endprodukten des Rücknahmenetzwerks – also aufbereiteten Batterien, stationären Energiespeichern und Sekundärrohstoffen – mit den Umweltwirkungen der Primärproduktion, denn: »Damit wir Sammel- und Aufbereitungszentren für Batterien richtig planen und positionieren können, müssen wir in der Lage sein, die Behandlungsprozesse und die Logistik für den Transport zu Sammel- und Aufbereitungszentren wirtschaftlich und energetisch zu bewerten«, so Jan-Philipp Jarmer. »Schließlich soll für die Behandlung von Batterien nicht mehr Energie verbraucht werden als für die Neuproduktion.«
Ineffizienzen auflösen
Grundsätzlich geht es den Forschenden darum, speziell auf die Logistik bezogene Ineffizienzen bei der Rücknahme von Batterien aufzulösen oder zu verringern. »Dabei wollen wir die relevanten und die größten Stellhebel für die Rücknahmeplanung identifizieren und die Wechselwirkungen verschiedener Parameter betrachten«, so Charlotte Joachimsthaler, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer IML, die das Projekt gemeinsam mit ihrem Kollegen bearbeitet. Das Fraunhofer IML verfügt über eine umfassende Planungskompetenz in der nachhaltigen und umweltschonenden Gestaltung von Wirtschaftsabläufen und bringt diese nun in die Organisation von Rücknahmenetzen für Batterien aus E-Fahrzeugen ein.
»Für die Verwertung von Batterien soll nicht mehr Energie verbraucht werden als für die Neuproduktion.«
Jan-Philipp Jarmer, Fraunhofer IML
Angesichts der heutigen geringen Mengengerüste an Batterierückläufern haben Hersteller und Entsorger bislang noch keine flächendeckende bzw. lückenlose Infrastruktur zur Rücknahme von Batterien aufbauen können. Rücknahmetouren werden heute mitunter adhoc – nach Bedarf – geplant. So kann es passieren, dass auch nur eine einzige Batterie von der Werkstatt, in der sie ausgebaut wurde, zu einer Sammelstelle oder einem Recyclingplatz transportiert werden muss.
Die wichtigsten Forschungsfragen
Welche Anforderungen werden an ein zukünftiges Supply Chain Management im Bereich von Batterien gestellt?
Wie kann ein digitaler Entscheidungsprozess helfen, schnelle Entscheidungen über Batterien zu treffen, um den Anforderungen aller Beteiligten innerhalb der Prozesskette gerecht zu werden?
Wie kann sichergestellt werden, dass Batterien nach Möglichkeit regional und mit höchstmöglichen Wiedergewinnungsquoten verwertet bzw. entsorgt werden?
Ein wichtiger Parameter bei der Schätzung des Hochlaufs von Batterien ist neben den Zulassungszahlen von E-Fahrzeugen die Lebensdauer von Batterien. Wie lange die Batterien im Fahrzeug halten, darüber gibt es bislang ebenfalls nur Schätzungen. Die heute meist angenommene durchschnittliche automobile Nutzungsdauer liegt danach bei acht bis zwölf Jahren. Auf dieser Basis haben die Forschenden des InnoLogBat die Rücklaufmengen von Batterien aus E-Fahrzeugen prognostiziert: Im Jahr 2030 wird die Zahl demnach europaweit bei rund einer Million liegen, im Jahr 2040 schon bei weit über sechs Millionen. Mit diesen Zahlen wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun aufzeigen, welche Anforderungen an ein zukünftig nachhaltiges Supply Chain Management im Bereich von Batterien gestellt werden und wie sichergestellt werden kann, dass Batterien nach Möglichkeit regional und mit höchstmöglichen Wiedergewinnungsquoten verwertet bzw. entsorgt werden.
Zukunftsweisende Planung
Doch nicht nur die Menge an Batterien, sondern auch deren Gewicht spielt gerade für die Logistik eine wesentliche Rolle bei der Rücknahmenetzwerkplanung: Je schwerer und größer eine Batterie, umso mehr Lkw müssen für den Transport eingesetzt werden, umso höher ist der Energieverbrauch. Wog die Batterie in einem vollelektrischen Auto vor zehn Jahren durchschnittlich noch 300 Kilo, so bringen die leistungsfähigeren Batterien von heute schon mehr als 400 Kilo auf die Waage.
»Unsere Forschungsergebnisse stellen eine Momentaufnahme dar, aus denen wir allerdings grundsätzliche Empfehlungen für die effiziente und nachhaltige Rücknahmelogistik ableiten können.«
Charlotte Joachimsthaler, Fraunhofer IML
Gleichzeitig setzen sich die Forschenden auch damit auseinander, wie hoch die Quote der Batterien ist, die von der Werkstatt dem Remanufacturing, also der Aufbereitung für die erneute automobile Nutzung, der 2nd Life-Fertigung zum Einsatz von Batterien als Energiespeicher und dem Recycling zur Verwertung der eingesetzten Rohstoffe zugeführt werden. Mit jedem Verwertungspfad gehen andere Herausforderungen einher. Insbesondere die Frage, wie die Rückläufer in puncto Transportbewertung sicher, effizient und reproduzierbar eingestuft werden können, , ist für die Forschenden vor diesem Hintergrund von Interesse.
Die berechneten Rücknahmemengen und Umweltwirkungen des Rücknahmenetzwerks hat Charlotte Joachimsthaler vom InnoLogBat in ihrem Beitrag »Modeling the environmental impact of reverse logistics for traction batteries« auch auf der Internationalen Konferenz »Electronics Goes Green« in Berlin vorgestellt. Die Veranstaltung des Fraunhofer IZM in Kooperation mit der Technischen Universität Berlin ist die weltweit größte Tagung rund um umweltverträgliche Elektronik.
Wichtige Momentaufnahme
Noch ist die Planung von Rücknahmenetzen für die beteiligten Unternehmen eine »Wette auf den Markt«, in dem jede Menge in der Schwebe und in Bewegung ist. Neue Batterietechnologien können Auswirkungen auf den Recyclingprozess haben, neue Behälter-Technologien auf die Art und Weise des Transports. Hinzu kommen immer neue gesetzliche Vorschriften. Die Parameter, die dem aktuellen Projekt zugrunde liegen, wurden allen Partnern des InnoLogBat gespiegelt und von ihnen bewertet. »Unsere Forschungsergebnisse können allerdings nur eine Momentaufnahme darstellen: Je mehr Last beispielsweise auf das System kommt, um so stärker werden sich Netzwerkstrukturen verändern müssen«, wissen Jan-Philipp Jarmer und Charlotte Joachimsthaler. »Doch für die Planung von Rücknahmenetzwerken wird unser multikriterieller Ansatz auf jeden Fall Bestand haben. Perspektivisch können wir uns dabei vorstellen, neben den Kosten und dem Energiebedarf sowie Treibhausgaspotenzial auch weitere Kriterien, etwa geopolitische oder soziale Faktoren, einzubeziehen.«